Judastee II

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:15

Mein von Neid und schmerzlichen Erinnerungen an Tomo genährter Kummer blieb Eliot nicht verborgen. Doch auf seine Frage, warum ich so ein düsteres Gesicht mache, murmelte ich nur eine leise Entschuldigung und presste beide Hände gegen meinen Kopf, damit er nicht sehen konnte, wie hässlich es in mir drin aussah. Mein Kopf kam mir mit einem Mal so riesig und hohl vor, meine Hände grob und rau und alles tat mir entsetzlich leid.

Eliot legte seine Stirn in Falten und fragte, was es zu entschuldigen gebe.

Freitag, 31. Jan.. 1992
Kapitel
11

Judastee III

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:18

Diese Erinnerung verfolgt mich bis heute, doch unabhängig von Miladas Betrug oder Eliots frommem Engagement im Frauenchor, konnte ich an einem Freitagmorgen unmöglich bis Sonntag warten, bis ich ihn wiedersehen würde: »Wann hast Du Dienstschluss?«, fragte ich deswegen, ohne weiter auf seine Einladung zum Gottesdienst einzugehen. Eliot lachte zunächst nur, weil er glaubte, ich würde Witze machen, bevor wir uns schließlich nach einigem Hin und Her für vier Uhr in der Lesehalle der Münchner Stadtbibliothek verabredeten …

Freitag, 31. Jan.. 1992
Kapitel
11

Vorsichtshalber

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:27

Seit nun bald einer Woche geistert ein neuer Kalauer durch die Kantinen, Büros und Stuben unseres Standorts. Wer ihn noch nicht kennt, gilt als Hinterwäldler, die wenigsten wissen jedoch, welche Geschichte sich dahinter verbirgt. Der Witz ist leicht zu merken, denn er besteht nur aus einem einzigen Wort: vorsichtshalber.

Freitag, 6. März. 1992
Kapitel
12

Welt aus Wasser

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:29

Einen Monat lang hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Eine Ewigkeit. Vielleicht keine ganze Ewigkeit, aber doch Zeit genug, um zu bereuen, seine Einladung zu dem Scharfschützenlehrgang ausgeschlagen zu haben. Vielleicht wäre es gar nicht so schlimm gewesen, zehn Tage lang durch den Schlamm zu robben, im nassen Gras zu liegen und sich von einem amerikanischen Drillfeldwebel anbrüllen zu lassen, bis einem das Blut zu den Ohren rauskommt. Denn immerhin hätten wir die Quälereien gemeinsam durchstehen können.

Samstag, 4. Apr.. 1992
Kapitel
11

Welt aus Wasser II

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:29

Natürlich besaß Eliot eine Regenjacke. Er schlüpfte zudem in ein Paar ausgetretene, aber noch immer wettertaugliche Kampfstiefel und war plötzlich von dem Gedanken, durch den Regen zu spazieren, geradezu begeistert. Mehr als begeistert sogar. Denn plötzlich kam er auf die Idee, in einem nahegelegenen Baggersee baden gehen zu wollen. Dank des ungastlichen Wetters stünden die Chancen ganz gut, den gesamten See für uns alleine zu haben.

Samstag, 4. Apr.. 1992
Kapitel
11

Revanche

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:33

Es ging mir die ganze Woche über schlecht. Und auch jetzt geht es mir schlecht, obwohl ich ihn am Wochenende gesehen habe. Eigentlich sollte ich mich nicht beklagen. Wir verstehen uns blendend. Sind sogar beste Freunde. Aber eben auch nicht mehr als das. Seit jener Nacht sehe ich die Welt nur noch als Gleißen aus Vergangenheit und Zukunft. Absichtlich. Das ist mein ganz persönlicher Trotz. Dieser Trotz richtet sich allerdings weniger gegen den Professor, der mit eindringlich eingeschärft hat, das Rauschen der Vektoren zu unterdrücken, sondern vielmehr gegen mich selbst.

Samstag, 11. Apr.. 1992
Kapitel
13

Schwarzenfels

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:21

Doch im Museum machte ich eine schauerliche Entdeckung. Eliot und ich schlenderten durch eine riesige Halle, in der unzählige Schiffsmodelle aus den letzten vier Jahrhunderten ausgestellt waren. Hier und da erzählten kleine Wandtafeln mit Bildern, Seefahrerkarten, Texten und Fotos die Geschichte der einzelnen Objekte. Elli hatte jedoch keinen Interesse für die maßstabsgetreuen Nachbildungen.

Samstag, 18. Apr.. 1992
Kapitel
11

Schwarzenfels II

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:26

Über die Antarktis weiß ich nicht besonders viel. Nur dass der Professor oft unzufrieden war, weil die Mittel des Instituts keine Forschungsreise zum Südpol gestatteten. Für eine so großangelegte Expedition in eine noch dazu so ausgesetzte Region mangelte es einfach an allem, an Zeit, an Personal und an der Risikobereitschaft möglicher Sponsoren.

Samstag, 18. Apr.. 1992
Kapitel
11

Die Nachricht

Gespeichert von eloroke am Do., 16.03.2023 - 21:42

Es schien, als wollte die ganze Welt an diesem Abend nach München verreisen, und zwar mit dem Zug ab Mittenwald Bahnhof. Doch trotz des ungeheuren Menschenauflaufs herrschte eine verhaltene Stille, denn die meisten Reisenden waren zum Schutz vor dem beißenden Abendwind bis zur Nasenspitze in ihre dicken Regenjacken und Winterparkas vermummt und stumm.

Sonntag, 8. Nov.. 1992
Kapitel
13